Abschreckung gegen den mächtigsten Aggressor wirkungslos!
Die NZZ, bekanntlich höchsten ethischen und journalistischen Werten verpflichtet, hat uns am 31.03.2018 („Die liberale Weltordnung – sie ruhe in Frieden“) wieder einmal in Erinnerung gerufen, dass „die demokratischen Ländern“, d.h. die von den USA geführte westliche Welt, nach dem 2. Weltkrieg ein „internationales System“ zu schaffen versuchten, das auf
„Rechtsstaatlichkeit“ und - bitte genau lesen – „dem Respekt für die Souveränität und territoriale Integrität von Ländern beruhte.…Zugleich stand die Teilnahme an diesem System allen Ländern offen und war freiwillig....All dies wurde durch die wirtschaftliche und militärische Macht der USA, ein Europa und Asien überspannendes Bündnisnetz sowie Atomwaffen gestützt, die Aggressoren abschreckten“.
Leider führte der Autor seinen Gedankengang von hier aus in eine andere Richtung, statt zu erklären, warum das System der Abschreckung nicht funktionieren konnte. Das sei hier nachgeholt.
Weil die USA selber zum rücksichtslosesten Aggressor wurden. Seit dem 2. Weltkrieg ist die Geschichte der Welt eine Geschichte amerikanischer Interventionen in einer Unzahl von Ländern auf allen Kontinenten. Auf dem Vimentis-Bürgerblog hat der Verfasser schon vor längerer Zeit unter dem Titel „Eine kleine Geschichte angewandter westlicher Werte“ über eine Serie ausgewählte Fälle berichtet. Angefangen beim Sturz Mossadeghs in Iran (er hatte es gewagt, das Erdöl prioritär seinem Volk statt westlichen Konzernen zugute kommen zu lassen). Grossbritannien und die USA ersetzten ihn durch den vorbildlichen Menschenrechtler, den Shah von Persien. Die Beispiele erstrecken sich bis hin zu den von den USA geführten Kriegen im Mittleren Osten und Afghanistan. Dazwischen liegen Millionen von Toten und Verwundeten, zerstörte Städte, entlaubte Wälder, ins Chaos gestürzte grosse Weltregionen, riesige Flüchtlingsströme. Geschickt wurden dabei jeweils noch die Interessen der grossen US und anderer Konzerne durchgesetzt.
Bei diesen Aktionen wurden nie die weltweit so unterschiedlichen Kulturen, Wertvorstellungen, Lebensweisen berücksichtigt, die sich in ganz unterschiedlichen, uns oft nicht genehmen politischen Systemen äusserten, von „territorialer Integrität und Souveränität“ ganz zu schweigen. Alle Mittel kamen zum Einsatz, militärische Besetzung, Bombenkampagnen, Geheimdienstoperationen, Bestechung, wirtschaftliche Erpressung, Entwicklungshilfe u.s.w. Zur Begründung vieler dieser Fälle wurden grosse Lügen verbreitet, so z.B. der erfundene Angriff Vietnams auf ein US Kriegsschiff in internationalen Gewässern. Was nützte es den Millionen von Toten, dass der US-Kongress die Ermächtigung zum Krieg widerrief, als vier Jahre später die Lüge aufflog? Sowjetische U-Boot- und Luftwaffenbasen auf dem paradiesischen Ferieninselchen Grenada. Selbst eine persönliche Intervention der britischen Premierministerin M. Thatcher bei US Präsident R. Reagan konnte die Besetzung durch zwei US Brigaden nicht verhindern. Das linke Regime sollte gestürzt werden. Die Massenvernichtungswaffen des Irak.
Fanden die US Interventionen im Rahmen von „Rechtsstaatlichkeit und dem Respekt für die Souveränität“ statt, hatten die unterworfenen Staaten „an diesem System ….. freiwillig „ teilgenommen? Haben die Serben 1999 die USA selber gebeten, ihr eher auf der Seite Russlands stehendes Land mit gegen 1200 Kampfflugzeugen, 38‘000 Luftangriffen und fast 29‘000 Präzisions-Bomben und –Raketen und 30‘000, oft mit Uran ummantelten Geschossen zu unterwerfen? Entsprach es dem „Respekt für die Souveränität“, Kosovo abzuspalten? Der Luftkrieg der USA/NATO wurde ohne Ermächtigung durch die UNO einseitig vom Westen ausgelöst und durchgeführt. Als es sich zeigte, dass die jugoslawische Armee trotz der enormen westlichen Luftüberlegenheit ohne einen Grossangriff am Boden nicht zu besiegen sei, wechselte der „Westen“ unter schwerer Verletzung des Völkerrechts zur Zerstörung der zivilen Infrastruktur, z.B. der Ausschaltung der Elektrizitäts- und Wasserversorgung. Im Gegensatz zur Armee, die auch materiell unbedeutende Verluste erlitt, litt die Infrastruktur, die Wirtschaft und die zivile Bevölkerung sehr. Das Land wurde wirtschaftlich weit zurückgeworfen. Kosovo wurde dann mit Beteiligung von Schweizer Truppen unter NATO-Kommando besetzt (KFOR). Die UNO segnete die entstandene Lösung noch ab, mit Kosovo als Teil Serbiens. Ca. 40% der UNO Mitglieder haben Kosovo nicht anerkannt. (Nebenbei: Interessierte sich unser Volk im Konsumrausch noch für eine verfassungsmässige Landesverteidigung, so wäre die Selbstbehauptung der jugoslawischen Armee gegen die überwältigende westliche Luftstreitmacht ein ermutigendes Vorbild, unabhängig von der Meinung zum Konflikt).
Leider hat der Verfasser alle die Artikel übersehen, in denen die NZZ die USA selbstverständlich als bösartigen Aggressor darstellt, wie sie das ja wegen der Krim bei Russland tut. Dabei besteht in diesen beiden Fällen ein fundamentaler Unterschied. So hatte Russland mit der Annexion der Krim und Sewastopol, dem wichtigsten Hafen seiner Flotte, nur auf den vorangegangenen, von höchsten US- und anderen westlichen Regierungsmitgliedern und mächtigen Politikern vor Ort orchestrierten Putsch gegen die gewählte Regierung der Ukraine reagiert, während im Falle Kosovos die USA die Abspaltung mit ihrer Bombenkampagne gegen Serbien selber auslösten. Die USA können seither mit Camp Bondsteel dort eine ihrer grössten, gegen Russland gerichteten, im Ausland liegenden Militärbasen aufbauen und betreiben. Serbien hätte dem nie zugestimmt. Die langfristigen geostrategischen Interessen der USA, darunter der massive militärische Aufbau an Russlands Grenze, dürften die Hauptgründe für den massiven Luftkrieg gewesen sein. Es galt, ein weiteres, Russland nahestehendes Land zu schwächen.
Alle die durch US Aggressionen direkt betroffenen Länder, u.a. überdurchschnittlich viele in Mittel- und Südamerika, liessen sich gewiss auch gerne „freiwillig“ ihre gewählten Staatsführer, wie z.B. Salvador Allende in Chile, mit Hilfe der CIA wegputschen, damit dieser durch Leute wie den Musterdemokraten General Pinochet ersetzt werden konnten. Sie waren den USA auch dafür dankbar, dass sie schon früher den Generalstabschef Peter Frei mit Hilfe der CIA ermorden liessen. Er hatte sich geweigert, einen von den USA geforderten Militärputsch gegen die Regierung auszulösen.
Ich habe es schon einmal erwähnt. Die positive westliche Bewertung des massiven Luftkrieges und der gewaltsamen Abspaltung des Kosovo und die Brandmarkung Russland als „aggressiv“ im Falle des sehr ähnlichen Falles Krim führte in der chinesischen Presse zu empörten Artikeln über die „westliche Heuchelei“. Die Zeit ist vorbei, in der „westliche Werte“ als nachahmenswerte Vorbilder dienen.
Diese wenigen Beispiele aus einer die Welt umspannenden endlosen Kette von US Interventionen zeigen, wie dankbar wir der NZZ dafür sein dürfen, dass sie jede US Bombenkampagne in das strahlende Licht von Menschenrechten und Demokratie stellt.