... und wieviel Steuerfluchthilfe in der neuen Vorlage noch drin ist
Ich bin nicht grundsätzlich gegen Kuhhändel - in der Landwirtschaft hat sich diese Kulturtechnik sogar ziemlich bewährt. Von einem Kuhhändel würde ich mir erhoffen, dass er fair wäre - von der STAF kann man das nicht unbedingt sagen: Da kriegen die internationalen Firmen (also die bisherigen Statusgesellschaften) und die Patentjäger nach wie vor massgeschneiderte Steuerschlupflöcher auf Kosten der Allgemeinheit, während der arbeitenden Bevölkerung v.a. grosszügig erlaubt wird, sich selber die AHV zu finanzieren - frei nach dem Motto: "Schenkst Du mir eine Crèmeschnitte, Papi? Du darfst dann auch Dir einen Nussgipfel kaufen...
Woraus besteht nun diese Steuerschlupf-Crèmeschnitte? In der Summe aus Steuersenkungen von rund 3 Milliarden, die teils allen Betrieben, teils wieder v.a. den bisherigen „Statusgesellschaften“, und immer den Aktionären zugute kommen. Die Aufzählung im Bundesbüchlein listet ein Dutzend Massnahmen. Ich möchte hier nur auf zwei näher eingehen:
- Die Patentbox
Gewinne aus Patenten werden nur teilweise besteuert. Kantone können sich dabei unterbieten, auf bis 90% Rabatt. Das tönt irgendwie nach Würdigung von Forschung und Entwicklung und damit sympathisch. Nur: Das Patent selber ist das Recht, eine Erfindung 30 Jahre alleine zu nutzen und so beim Kunden über die Entwicklungs- und Produktionskosten hinaus einen Monopolgewinn abzuzwacken. Das ist bereits eine Belohnung für erfolgreiche Forschung und Entwicklung. Wenn man dann beim Staat nochmals eine reduzierte Steuer für den Monopolgewinn geltend machen kann, ist dies doppelt gemoppelt. Und: dieses Zückerchen gibt es auch dann, wenn man das Patent nicht selber angemeldet, sondern gekauft hat, oder wenn man aus dem blossen Handel mit Patenten Gewinne einfährt. Die Box ist damit eher eine Einladung an internationale Konzerne, Patentgeschäfte (bzw. deren Verbuchung) in die Schweiz zu verlegen, also ein Mittel des Steuerwettbewerbes. Die Förderung hiesiger Forschung gibt es daher nochmals separat: durch Forschung entstehender Mehrwert ist nochmals zu 70% steuerbefreit.
- Steuerbefreite Aufdeckung stiller Reserven
Verlegt ein Unternehmen seinen Sitz in die Schweiz, so kann es stille Reserven (also bisher nicht versteuerte Gewinne) steuerbefreit aufdecken und damit nutzbar machen. Beispiel: Ein deutsches Unternehmen baut mit Erträgen aus Sparte A die neue Sparte B auf. Diese Erträge werden dadurch nicht als Gewinn ausgewiesen und damit nicht versteuert. Dann wechselt es den Steuersitz in die Schweiz. Dabei deklariert es neu den Wert der Sparte B mit 10 Mio. Franken – steuerfrei. Wenn es nun Sparte B für 10 Mio. verkauft, so macht es buchhalterisch keinen Gewinn mehr, hat also die Steuer erfolgreich umgangen. Hätte eine Schweizer Firma dieselbe Sparte B aufgebaut, so hätte sie die 10 Mio. bei Verkauf versteuern müssen - ungerecht. Die Regel ermöglicht also ähnliche Steuerschlupflöcher wie die heutigen Rabatte für Holdinggesellschaften, und sie führt die Ungleichbehandlung von Konzernzentralen & Briefkastenfirmen einerseits und des ortsgebundenen Gewerbes andererseits einfach weiter.
Auf der Haben-Seite steht der AHV-Nussgipfel. Aber worin besteht dieser? Schlicht aus der Fortführung des bisherigen Finanzierungskonzeptes über Lohnprozente, bloss (wegen steigendem Finanzbedarf) mit höheren Abgaben, sowie einem Zustupf von 0.8 Milliarden aus der Bundeskasse, verziert mit der Drohung, wenn man das Päckli nicht schlucke, würde die AHV wesentlich unsozialer über die Mehrwertsteuer saniert.
Trotzdem wäre ich anfänglich bereit gewesen, einen schlechten Kompromiss zu unterstützen, schlicht, weil mir beim Referendumskomitee niemand erklären konnte, wo die politische Mehrheit für eine gerechtere Lösung (im Land, aber auch gegenüber den Opfern der Multis im Ausland) herkommen könne.
Aber dann war ich an der Podiumsdiskussion der Aarg. Industrie- und Handelskammer. Dort hat Finanzminister Ueli Maurer die STAF vorgestellt und folgenden Schlüsselsatz gesagt: Bei einem Nein sei klar, dass die Sonderregeln für Statusgesellschaften ersatzlos gestrichen, diese also gleich besteuert werden müssten wie inländische KMUs. Ich glaube ihm das, denn:
- Er hat vor eigenem (Wirtschafts-) Publikum gesprochen, daher wohl ehrlich.
- Die Konzerne fordern inzwischen hinter vorgehaltener selbst die Abschaffung der jetzigen Regelung um jeden Preis, da die Schweiz damit auf den schwarzen Listen der OECD landen würde, und die damit verbundenen Strafsteuern in anderen Ländern könnten für sie RICHTIG teuer werden.
- Nach drei gescheiterten Versuchen, die Steuerdumping-Strategie zu retten, würde schlicht die Zeit fehlen, um dabei nochmals neue Winkelzüge zu basteln und ein viertes Referendum zu riskieren.
Und damit sind wir beim springenden Punkt: Gleiche Steuern für alle Unternehmen, das nenne ich eine gerechte Steuerpolitik; so muss es sein! Dieses Ziel ist jetzt vor Augen. Daher sage ich
- NEIN zur STAF, und
- danke, Herr Maurer, für die Aufklärung.
p.s.: Nein, der Wirtschaftsstandort ist nicht in Gefahr. Mit Bildung, Infrastruktur, Rechtssicherheit etc. haben wir gute Argumente für Betriebe, die hier arbeiten und nicht nur Post empfangen wollen.
p.p.s.: Auch um die AHV-Finanzierung mache ich mir keine Sorgen. Die AHV ist gut in der Bevölkerung verankert, und dass die Pensionskassen keine sichere Altersvorsorge leisten können, ist im Zeitalter der Negativzinsen und des institutionalisierten Leerwohnungsbaus offensichtlich. Den AHV-Teil der Vorlage werden wir auch separat durchsetzen können.